Der ewige Traum

Den Traum vom Wachen zu unterscheiden scheint uns ein leichtes Spiel, zwar täuschen wir uns oft im Traum und halten uns für wach, obwohl wir schlummernd im Bett liegen, doch merkwürdiger Weise meinen wir im Vollzug des Alltags uns sicher sein zu können, dass wir nicht träumen.
Für den Philosoph Descartes hingegen war es nicht gewiss, dass wir, obwohl wir uns hin und wieder irren, dennoch zumeist wissen, dass wir nicht träumen. Zwar räumt er ein, erscheine einem im Wachen alles realer als es das jemals in einem Traum könne, jedoch hätte er sich auch hierüber bereits in Träumen getäuscht und sich, den Schlafenden, für einen Wachen gehalten. Es scheint, so Descartes, kein sicheres Kriterium zu geben, dass uns versichert, dass wir gerade nicht schlafen.

Wer möchte ihm da wiedersprechen und wer fällt nicht immer aufs Neue auf seine eigenen Träume herein und schreckt mit einer Angst im Nacken aus Albträumen empor oder dem wohligen Gefühl der Zufriedenheit aus einem angenehmen Traum? Vielleicht träumen wir sogar gerade jetzt.

René Descartes. Meditationen über die Erste Philosophie. Hrsg. und übersetzt von Gerhart Schmitt. Stuttgard: Reclam 1986. Erste Meditation, Artikel 3-5

5 Antworten auf „Der ewige Traum“

  1. Hallo Chris 🙂
    Irgendwie hast du ein untrügliches Gespür dafür, hier jeden Sonntag Themen anzupinnen, die mich just in dem Moment bereits beschäftigen. Mal mehr, mal weniger.
    Träumen und Wachen. Ich denke schon, dass einem bewußt ist, wenn man wirklich wach ist. Die andere Seite find ich schwieriger. Nämlich im Schlaf sich drüber bewußt zu sein, dass man eben nicht wach ist. Klingt paradox, oder?
    Was ich aber viel spannender finde, ist das Phänomen, dass man manchmal träumt, was später passiert. Da könnte man natürlich jetzt mit selbsterfüllender Prophezeiung kommen. Aber was ist, wenn es tatsächlich Dinge sind, auf die man keinen Einfluss hat? Oder hat man den immer? Auch wenn man nicht direkt an dem Geschehen beteiligt ist? Prinzip Schmetterling und Tornado? Oder überschneiden sich da die Wirklichkeiten? Sehr seltsam und sehr faszinierend und mir vor 2 Tagen mal wieder passiert…
    Und bei dem Text sind mir auch noch Tagträume eingefallen. Man ist sich vollends darüber bewußt, dass man wach ist. Aber die Gedanken driften ab. Wer kann einem versichern, dass alles was man dann erlebt und sieht die Realität ist? Immer wieder eine sehr seltsame und beinahe gruselige Erkenntnis, vor allem in unserer Gesellschaft, in der jegliche Fantasie und Andersartigkeit argwöhnisch beobachtet und zur Not weggesperrt wird.
    Auf diesem Wege Grüße an dich 🙂

  2. Man muss die Skeptiker einfach lieben –
    und selbst wenn nicht: man hat nicht viel gegen sie in der Hand.
    Descartes Meditationen, deren Quintessenz "cogito ergo sum" in aller Munde ist, haben auf mich einen starken Eindruck gemacht, als ich mich das erste Mal mit ihnen beschäftigt habe.
    Er schließt systematisch alles aus, was wir wissen zu können glauben, ohne tatsächlich sicher zu sein; Und übrig bleibt, dass wir einzig wissen können, dass wir sind solange wir denken können: "Ich bin". Es muss ja ein Subjekt da sein, das dies denkt.
    Alles weitere könnte Traum sein oder Illusion – ob uns ein böser Geist das alles vorspielt, oder ob wir Gehirne in einem Tank sind, die von einem Coputer mit Impulsen gefüttert werden (Dieses theoretische Konzept stand wohl auch zum Film Matrix Pate) – die Idee ist nicht neu, aber nicht von der Hand zu weisen.

    Wie wird man mit dem Skeptiker fertig?, Wie eine Dozentin in einer Vorlesung mal retorisch fragte.

    Es haben sich klügere Köpfe, als ich einen trage, daran zerbrochen, ob man nicht doch etwas an Realität von den Descartes dieser Welt retten kann – der Zweifel bleibt.

    Die Frage, die sich bei aller Hilflosigkeit (Mit "was kann ich wissen?" bin ich nicht weit gekommen) für mich weiterhin stellt ist diese: Was soll ich tun?
    Die antiken Skeptiker schlugen vor, zu tun, was Sitte der Väter ist, aber damit bin ich nicht einverstanden. Es mag moralisch gedacht sein, aber das hieße auch unter einem Terrorregime wie der NS-Herrschaft zu tun, was alle tun – wie es Sitte ist.
    Sich dagegen aufzulehnen mag nur eine andere Sitte sein und aus skeptizsitischer Perspektive völlig gleich, aber ich ziehe aus dem berühmten moralsichen Gefühl heraus dennoch vor, zu behaupten, dass es da wesentliche Unterschiede gibt.

  3. Was mir zu diesem Artikel spontan einfiel, war etwas, was ich erst letzte Woche zufällig gelesen habe. Nämlich dass das Unterscheiden zwischen Realität und dem Traum von Kindern erst gelernt werden muss und das Kaspa Hauser diesen Unterschied beispielsweise nicht kannte.
    Man könnte theoretisch daraus schließen, dass es eine rein kulturelle Annahme ist, dass das, was im Traum passiert, nichts mit der Realität zu tun hat, also grundverschieden davon ist. Würde wir diese Differenz nicht wie gelernt als so groß wahrnehmen, gäbe das dann nicht der Vorstellung, wir träumten immer, mehr Raum?

  4. Hallo Tom,

    ein Subjekt? Vielleicht.

    Dubio ergo sum: Dieser Satz basiert auf verschiedenen Vorraussetzungen. Zum einen der Prämisse: Alles was zweifelt (denkt) ist. Aber das ist nicht alles, da wäre auch noch das logische Schlußverfahren.
    Natürlich erscheint sich der Sekptiker auch als Denkender, dennoch ist es für ihn eine Erscheinung, aus der nichts weiteres mit Sicherheit zu schliessen ist.
    Desweiteren entspricht es nicht dem Skeptiker sich nur nach den Vorfahren zu richten, dies ist nur eine Möglichkeit. Ansonsten wäre es ja auch schon gefährlich Nahe am Dogmatismus.

    Ich denke, wir haben im privaten schon ausreichend über Ethik und Moral disputiert, das moralische Gefühl als aufoktroyiertes soziales Konstrukt, metaphysische Einsicht etc. etc.
    Andererseits wäre es dafür auch mal wieder Zeit über einer Flasche Wein unter dem Motto: Tugendethik – die Flucht aus der Beliebigkeit.

  5. guten tag zunächst. es gibt menschen, die sich das verhältnis des traums zur wirklichkeit – oder der phänomenalen zur transphänomenalen welt – anders erarbeiten, also praktisch experimentierend, das sind die klarträumer. ich weise sehr gerne auf diese internetseite – mit reichem forum – hin:
    http://www.klartraum.de/web
    und bei der gelegenheit möchte ich sagen, daß ein unterschied besteht zwischen träumen als subjektiv-psychisches phänomen und träumen als analogie sozusagen zur utopie: dies ist ja wachbewußtsein, das sich wegsehnt aus einer situation, die als ungünstig erlebt wird, so in dem sinne des liedes "die gedanken sind frei".
    descartes, denke ich, suchte nach einer methode der reinigung des denkens von methaphysischer abhängigkeit. sprichts und baut seine denk-welt auf einem gottesbeweis wieder auf. ich bin, deshalb denke ich, wäre angemessener, menschlicher, gemäßer. die phantastischen welten des denkens (des bewußtseins – was auch immer das ist) wären immer wieder zu relativieren in der begegnung mit der harten realität und den interessen der anderen subjekte.

    lg
    sensei

Kommentare sind geschlossen.