Zwei Menschen lieben einander.
Welches Bild werden wir mit diesem Umstand assoziieren?
Eine Frau und ein Mann, zwei Frauen, zwei Männer – gleichviel. Sie heiraten oder heiraten nicht, sie gründen einen gemeinsamen Haushalt oder verbleiben in zweien. Sie bekommen (durch Schwangerschaft oder Adoption) ein Kind, zwei, drei oder keins. Sie bilden auf die eine oder andere Weise eine Lebensbewältigungsgemeinschaft und leben glücklich in eine Zukunft hinein, die für unsere Zwecke belanglos ist.
Jeder wird entsprechend seiner Neigung eine Vorstellung nach dem obigen Muster haben und die Meisten leben in der Hoffnung auf die Möglichkeit, diese Vorstellung Wirklichkeit werden zu lassen, nach Möglichkeit für immer.

Warum?

Wenn wir Aristoteles trauen können, so ist der letzte Beweggrund für unser Tun und Streben die Glückseligkeit. Wir versprechen uns also offenbar Glück davon, zu lieben und geliebt zu werden. Für viele ist das Glück der Liebe nicht ein Glück unter vielen sondern das Entscheidende und Wichtigste. Das Glück der Liebe, die Liebe selbst hat in unserer Gesellschaft einen eigenen Platz: Das Paar, die Beziehung.

Warum?

Evolutionär betrachtet wirkt sich ein starker Zusammenhalt zwischen einem Mann und einer Frau günstig auf die Überlebenschancen des Nachwuchs der beiden aus. Das würde allerdings auch eine gute Aufgabenteilung innerhalb des Rudels, könnte man einwenden.
Aus christlicher Warte ist die Ehe eine heilige Institution, die unter besonderem Schutz steht – und Liebe, sofern sie unter anderem körperlicher Natur ist und mit Begehren einhergeht, ist nur in der Ehe erlaubt. Letztere dient in Kern der Sache der Familiengründung, also der Vergrößerung der Gemeinde durch Nachwuchs.
Beide Standpunkte haben durchaus ihre Berechtigung, aber wohl die Wenigsten hätten ihre Auffassung von Glück und Liebe so begründet, da sie mit dem assoziierten Bild ungemein wenig zu tun haben.
Das Bild vom Lebensglück als Glück zweier Liebender, die einander die Welt bedeuten, wurde jedoch maßgeblich von Dichtern der Romantik geprägt. Es ist eine gewachsene Vorstellung, eine poetische Vision, die durchaus nicht schon immer und von allen so aufgefasst wurde, wie es heute der Fall ist.
Es gab und gibt noch immer Menschen, die sich eine Alternative zu diesem zentralen Glück zweier Menschen denken konnten, die in allen Belangen des Lebens in exklusiver Weise aufeinander bezogen sind. Die freie und sicher nicht unproblematische Liebe zwischen Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir mag hier als Beispiel dienen oder die Bestrebungen der 68er-Bewegung, die neben politischen Fesseln auch die habgierigen und neidischen Grenzen der Vorstellung ewiger Treue sprengen wollten.
Es gab und gibt gleichfalls Menschen, die die tiefste Verbundenheit nicht in der geschlechtlichen Liebe, sondern in der Freundschaft gesehen haben. Nietzsche etwa seht sich an vielen Stellen seines Werkes zurück in die griechische Antike, als der Satz, dass man doch immerhin weiter Freunde bleiben könne, wahrscheinlich den Ausruf: Was gibt es denn Höheres und Edleres? Nach sich gezogen hätte.

Wenn ein vorsichtiger Blick in die Statistik erlaubt ist, sind Freundschaften heute von längerer Dauer als Paarbeziehungen oder Ehen. Wer wollte die Tiefe der Zuneigung beider Formen der Zusammengehörigkeit messen? Und woran?
Letztlich mag jeder für sich diese Abwägung vornehmen und für sich zu einem zutreffenden Ergebnis kommen, aber ohne auch nur einen Moment den Versuch zu unternehmen, sich etwas anderes als die Gleichung Glück gleich Liebe gleich Paar vorzustellen, erscheint mir doch auf sehr verstaubte Weise unoriginell.

Jean-Paul Sartre schrieb einmal: „Dies ist der Grund für die Freude der Liebe, wenn sie vorhanden ist: uns in unsrem Dasein gerechtfertigt zu fühlen.“ Sollte es tatsächlich nur einen Menschen geben, der dies auf nur eine Weise bewerkstelligen kann?

5 Antworten auf „“

  1. Die Auffassungen über die Liebe in Partnerschaften sind so mannigfaltig wie wir Menschen verschieden sind, und so soll auch jeder seine eigene Ansicht haben. Doch den Versuch nicht zu unternehmen, sich etwas anderes als Deine Gleichung im Bezug auf Glück vorzustellen, halte ich nicht nur für verstaubt und unoriginell. Das Glück ausschließlich in der Liebe im Sinne von Partnerschaft zu suchen, stellt für den einzelnen schließlich auch ein gewagtes, gefährliches Unterfangen dar. Simone de Beauvoir sagte: „ auf das Heil eines anderen mitzusetzen ist der sicherste Weg zum Untergang“. Diese Äußerung ist im Zusammenhang zu sehen mit ihren Überlegungen zur Abhängigkeit und eigenen Erfahrungen der Neigung zur Selbstaufgabe. „Einander die Welt bedeuten“ kann – muss natürlich nicht! – dazu führen, sich selbst nur noch durch den anderen zu sehen, vorausgesetzt man definiert dieses unbezweifelbar riesige Glück als „das Entscheidende und Wichtigste“.
    Unbestreitbar ist wohl, dass menschliches Glück vor allem in den Beziehungen zu anderen Menschen zu finden ist. Sicherlich kann dabei ein Mensch für einen anderen eine ganz entscheidende, große Rolle einnehmen. Anmerken möchte ich, dass Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre gerade deshalb ihr Glück unter anderen mit dem anderen (nicht durch den anderen) gefunden haben, da ihr Verhältnis nicht in erster Linie eine Beziehung war und weit über eine Liebe in Partnerschaft hinausging. Ihr Verhältnis war das, was ich Freundschaft nennen würde, und zwar eine besondere, eine Gemeinschaft, die auf, wie sie es nannten, „kultureller Gleichwertigkeit“ beruhte, in der jeder seine Unabhängigkeit behielt, sie Liebe und ihr Glück nicht durch den jeweils anderen definierten und sich so Vertraute und Gefährten waren – ein Leben lang.

  2. Es lag und liegt mir fern, jemanden als visions- und einfallslos zu bezeichnen, weil er sein Lebensglück auf eine (wie immer geartete) Beziehung zu einem anderen Menschen zu gründen versucht. Was ich problematisieren wollte, ist die Auffassung, dass diese Gleichung nur auf eine Weise zu lösen und ohne jede Alternative ist – und also Lebensglück oder Unglück davon abhängen, ob man sie umsetzen kann. Nüchtern betrachtet geht sie nun einmal nicht nur nicht immer, sondern relativ selten auf.

    Tatsächlich leben wir in einer Zeit, die wie keine andere vor ihr die Pluralisierung der Lebensformen und die Verhandlungsmoral in Beziehungen ermöglicht, also weniger soziale Zwänge auf diesem Gebiet existieren, als je zuvor. Dennoch ist das Konzept der exklusiven Paarbeziehung mit Ewigkeitsanspruch fast unangefochtenes Ideal und wird kaum kritisch hinterfragt, als sei es eine anthropologische Konstante. Dem ist nicht so und zudem ist es nicht einmal ein Erfolgskonzept, warum also hält die absolute Mehrheit so beharrlich an dieser Vorstellung fest?
    Mein Anliegen war es, in groben Strichen nachzuzeichnen, wie diese dominante Idee gewachsen ist – und welche Alternativen dazu vorgeschlagen wurden.
    Gerade Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre haben zu ihrer Zeit etwas völlig undenkbares gewagt: Sie haben das starre Beziehungsbild aufgebrochen und eine Liebe/Freundschaft gelebt, die sich der klassischen und vorherrschenden Definition entzog und noch immer entzieht. Für beide war dies nicht nur Glück sondern auch Unglück, wie für andere wohl auch.
    Ich stimme dir uneingeschränkt zu: Ohne den Austausch und die Verbindung mit anderen Menschen kann der Mensch nicht auf viel hoffen – und es mag einen oder zwei Menschen geben, auf welche man in besonderer Weise bezogen ist, wie etwa de Beauvoir und Sartre aufeinander bezogen waren.
    Wie man aber sein Lebensglück, sein Lebensunglück, sein Verhängnis mit diesem oder diesen Menschen gestaltet, ist lange nicht so festgelegt, nicht so absolut, wie es gern den Anschein hat.
    Ich wollte mit meinem Artikel eine Lanze dafür brechen, den Fehler nicht nur bei sich oder in der Verbindung, sondern auch im System "Beziehung" selbst zu suchen. Die Liebe dauert vier Jahre, eine Ehe sieben – vielleicht auch, weil kaum jemand wagt, sich die Frage zu stellen, ob es daran liegen könnte, dass es einfach nicht die richtige Form war, um die Gefühle für den anderen auszuleben. Wer die Hoffnung verliert, ohne sich diese(n) Fragen gestellt zu haben, verzweifelt m.E. zu früh.

  3. Zum einen leben wir in einer Zeit, in der immer deutlicher spürbar wird, dass es eben nicht so festgelegt und absolut ist, da wir gerade selbst die Gestalter unseres Lebensglückes und unserer Beziehungen sind. In diesen Punkten hat sich viel geändert. Zum anderen habe ich das Gefühl, dass gerade in dieser Zeit, (vielleicht gerade aufgrund Pluralisierung der Lebensformen, die vielleicht Angst macht?) nicht an diesem Konzept mit Ewigkeitsanspruch weiter festgehalten, sondern dass es neu, und teilweise sehr wohl hinterfragt, bewusst wieder gedacht und gelebt wird. Ich treffe immer wieder und immer mehr Leute meiner Generation, die diesbezüglich einen neuen Absolutheitsanspruch (den sie für sich und für andere denken!) leben, der mich erschreckt.
    Diese „dominante Idee“ wurde doch in der Zeit Beauvoirs und Sartres vielfach hinterfragt und mit Liebe hatten doch viele Ehen nach einigen Jahren schon lange nichts mehr zu tun, nur hatten viele (Frauen vor allem) schlichtweg nicht die Möglichkeit, etwas anderes zu leben. Man müsste aber fragen: Was ist heute, wo viele Möglichkeiten da sind und das Glück der jungen bis mittleren Generation scheinbar wieder sehr unbedingt in der, nach Möglichkeit ewig währenden, Paarbeziehung liegt? Man müsste auch untersuchen, ob dem wirklich so ist. Vielleicht heiraten Paare z.B. heutzutage auch gerade weil sie wissen, dass Beziehungen nicht ewig währen und sie für den Moment eine Art statement brauchen? Woher nimmst Du die Gewissheit, dass es die von der Romantik geprägte Vorstellung ist, die die meisten leitet?
    Und eine Verständnisfrage: Welche Hoffnung soll einer verlieren, der sich diese(n) Fragen nicht stellt?

  4. Zum einen scheint mir, dass wir in vielen Punkten ähnlicher Auffassung sind, wenn wir es vielleicht auch unterschiedlich ausdrücken. Zum anderen sprichst du einen wichtigen Punkt an, der m.E. einen entscheidenden Anteil daran hat, dass wir eben nicht in Zeiten geringer sozialer Festlegung eine gauß’sche Normalverteilung der Beziehungstypen vorfinden: Die Angst vor der Freiheit. Gerade WEIL so wenige Vorgaben existieren, neigen die Menschen dazu, sich feste Rahmen zu wünschen, weil diese nicht nur Einschränkung sondern eben auch Halt und Orientierung bieten. Es ist schwer, in die Köpfe der Menschen hineinzusehen und dementsprechend unmöglich zu sagen, ob jemand eine bewusste, positive Entscheidung für einen (zufällig) konventionellen Lebensentwurf trifft oder allein aus Angst und Unsicherheit glaubt, sich so entscheiden zu müssen. Ich möchte das für niemanden entscheiden und niemandem unterstellen.

    Die Genderthematik ist bei alledem sicherlich ein zentrales Problem, denn ganz überwunden scheint diese Kluft noch immer nicht. Was junge, intelligente Frauen dazu bewegt, sich an Rollenmuster ihrer Großmütter zu klammern, nachdem ihre Mütter sich gegen große Widerstände davon befreit hatten, und welches Licht das auf den Postfeminismus wirft möchte in ungern in einem lakonischen Nebensatz abhandeln und weiß nicht genug darüber, um es mir erklären zu können.

  5. Ja klar, ich denke auch, dass wir gar nicht so weit auseinander liegen in unserem Denken bezüglich dieses Themas. Aber ich würde wirklich gerne einmal eine Untersuchung dazu lesen, vielleicht hat ja jemand einen Literaturtipp? (Vielleicht gab es ja irgendwo eine Umfrage diesbezüglich gab in den letzten Jahren?)

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