Über wahren Altruismus ist viel gesagt und geschrieben worden, ohne dass sich eine Möglichkeit offenbart hätte zu beweisen, dass eine bestimmte Handlung zweifelsfrei ohne eigennützige Motive ausgeführt worden sei. Wenn ich mich durch eine gute Tat besser fühle, etwa weil ich mich als großzügig, hilfsbereit oder mutig erlebt habe, steht meine Selbstlosigkeit bereits in Frage: Was mein Glück befördert, geschieht insofern nie nur um seiner selbst Willen, als ich letztlich davon profitiere.

Freundschaften und Bekanntschaften erlebt man dennoch zumeist als uneigennützig, sofern sie nicht eingestandenermaßen eine Seilschaft mit einem bestimmten Ziel oder ein reines Zweckbündnis gegen die Einsamkeit sind. Selten kommt man in die Verlegenheit, zu begründen, warum man mit jemandem befreundet ist und wenn doch, so gelten Gemeinsamkeiten und zuweilen auch Unterschiede als Argumente für die empfundene Verbindung.

Es erscheint daher geradezu zynisch, wenn Arthur Schnitzler in seinem Aphorismus über die Nebenmenschen schreibt, wie seien „in jedem Fall dazu verdammt, unsere Nebenmenschen auszunützen.“
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Zeitvertreib

Zeitvertreib an sich ist ein merkwürdiges Wort. Während Mussestunden auf Entspannung oder Kontemplation verweisen, verweist der Begriff des Zeitvertreibs auf eine Tätigkeit deren einziger Sinn und Zweck es ist dafür zu sorgen, dass die Zeit vergeht.
Bedenkt man, dass Lebenszeit endlich ist, wird die Tätigkeit des Zeitvertreibs geradezu grotesk, denn was könnte Zeitvertreib anderes bedeuten, als die Abkehr von dem Anspruch seine Lebenszeit auszufüllen. Leben wird zum buchstäblichen Warten auf den Tod und die vermeintlich wertvolle Lebenszeit zu etwas, was möglichst schnell vorüberziehen soll.

Natürlich soll damit keineswegs gemeint sein, man solle danach trachten jede Minute mit möglichst viel Aktivität zu versehen, auch Entspannung und Kontemplation haben wie erwähnt ihren Platz und reichen in ihrem Sinn weit über blanken Zeitvertreib hinaus. Zeitvertreib hingegen trägt nichts zum Leben bei, er trägt es nur ab.
Es bleibt zu hoffen, dass Menschen, die das Wort „Zeitvertreib“ allzu leichtfertig im Munde führen, damit eigentlich etwas anderes meinen als das sinnentleerte Vertreiben von Zeit.

Vom Antrieb aller Menschen

Was ist es, das uns bewegt? Folgt man Aristoteles in der Nikomachischen Ethik im ersten Buch Kapitel 1 und 2, so lernt man, dass alle Menschen stets nach einem Gut streben. Was dieses Gut nun ist, kann individuell ausgefüllt werden; für den Einen mag es das gefüllte Bankkonto sein, für den Nächsten ein harmonisches Familienleben, für einen Anderen wiederum das Streben nach Wissen und für den Vierten ein schmackhaftes Essen. Niemand käme auf die Idee etwas zu erstreben, was für ihn kein Gut ist. Das höchste Gut aber, so führt Aristoteles aus, ist das Glück und so erhoffen sich alle Menschen von den Gütern die sie erstreben das Gefühl des Glücklichseins.
Es scheint, dass Aristoteles an dieser Stelle den kleinsten gemeinsamen Nenner von allen menschlichen Handlungen beschrieben hat und somit das gefunden, was alle Menschen in ihren individuellen Handlungen eint. Auf dieser Ebene kann es keinen Unterschied mehr zwischen ihnen geben.

Findige Menschen werden einwenden, es gäbe Menschen die das Unglück erstreben, sich gar selbst verletzten oder aus dem Leben reißen. Von außen, mit mehr oder minder guten Gründen, mag eine solche Handlung als bewusste Herbeiführung von Unglück erscheinen, der Mensch der sie ausführt sieht allerdings in diesem Unglück das Glück, das er mit seiner Handlung erstrebt.

Aristoteles. Nikomachische Ethik. Buch 1. Kap. 1, 2

Alle Menschen streben von Natur nach Wissen.

Aristoteles. Metaphysik. A. 980a21