Nach was sollen wir streben?

Die Menschen verfallen im Laufe des Lebens auf etwas, dass sie für ein Gut halten, nach dem es sich zu streben lohnt. Aber ist dieses Gut wirklich gut für den Menschen? Die Antwort des pyrrhonischen Skeptikers ist eindeutig: Sofern ein Mensch etwas für ein Gut hält, wird dieses vermeintliche Gut ein ewiger Quell der Beunruhigung für den Menschen sein. Hat er es nicht, muss er ihm hinterherjagen, hat er es aber erreicht, so kehrt keine innere Ruhe ein, sondern es kommt die Furcht vor dem Verlust des vermeintlichen Gutes auf. Das erstrebte Gut ist folglich kein Gut, sondern schädlich, da es anstatt Ruhe nichts als Beunruhigung in das Leben bringt.
Man kann dies am Beispiel des Geldes einfach veranschaulichen: Hält jemand Geld für ein Gut, nach dem es sich zu streben lohnt, so wird er nicht glücklich werden können, solange er das Gut nicht besitzt; hat er es aber erlangt, so stellt sich keine Ruhe ein, sondern die Sorge vor dem Verlust des Geldes, vor dem Zurückfallen in die Armut, dominiert das Denken. Der Reichtum muss geschützt, verwaltet und bewahrt werden.
Man täte also in den Augen des Skeptikers gut daran, nichts fälschlicherweise als ein Gut zu setzen. Dann bliebe einem so einige Beunruhigung im Leben erspart.

Sextus Empiricus: Grundriss der pyrrhonischen Skepsis. I, 27

Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn,
daß er nicht dabei zum Ungeheuer wird. […].

Nietzsche, Friedrich: Jenseits von Gut und Böse. Aph. 146

Happy Birthday Dunkelraum!

Der Jubiläumsmonat neigt sich dem Ende zu und nunmehr ist Dunkelraum.de zwei Jahre alt – zugeben, fast zwei Jahre alt, denn der erste Artikel erschien am 27.02.2006, aber um in der Tradition der sonntäglichen Artikel zu bleiben, ziehen wir die Gratulation zum zweijährigen Jubiläum geringfügig vor.
Vieles ist in den letzten beiden Artikeln über Dunkelraum geschrieben worden und es soll nun an dieser Stelle nicht alles wiederholt werden, vielmehr darf nun jeder Leser Einfluss auf die Zukunft von Dunkelraum nehmen, in dem er an der großen und selbstverständlich anonymen Leserbefragung teilnimmt:

Umfrage beendet

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An inside look for outsiders (I)

Würde man mich nach meiner Motivation befragen, die dazu führte, dass ich Dunkelraum.de in die Welt setzte, so könnte ich es kaum auf einen einzelnen Nenner bringen. Der gewichtigste Grund für dieses Unternehmen ist allerdings offenbar: Es ist die Liebe zur Philosophie, oder anders gesprochen, die philia zur sophia.
Dieser Liebe einen öffentlichen Raum zu geben, in der Hoffnung, dass sie andere in ähnlicher Weise bereichern wird, wie sie mich unablässig bereichert, ist eine der treibenden Kräfte gewesen. Und hier besteht genau genommen kein Grund für eine Vergangenheitsform, denn auch heute, hier und jetzt ist es für mich noch in gleicher Weise die treibende Kraft, wie vor knapp zwei Jahren, als dieses Unterfangen seinen Anfang nahm.
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Februar, ein besonderer Monat

In diesem Monat wird Dunkelraum.de als Philosophieblog zwei Jahre alt. Ein Anlass, der danach fordert, angemessen zelebriert zu werden, denn in den vergangenen zwei Jahren wurde Dunkelraum.de von abertausenden Besuchern besucht und jeden Tag kommen hunderte neue hinzu. Was als kleines Experiment begann, ist längst den Kinderschuhen entwachsen. Für viele Leser ist es die Seite geworden, auf der sie Sonntag für Sonntag ihr philosophisches Häppchen genießen.
Zwei Jahre sind (zumindest für diese Seite) eine lange Zeit. Grund genug inne zuhalten, darüber nachzusinnen, was aus Dunkelraum.de geworden ist und was im dritten Jahr aus der Plattform werden soll. Aus diesem Grund erscheinen diesen Monat keinerlei philosophische Artikel, sondern die beiden kommenden Sonntage werden stattdessen die Autoren ihre Gedanken über Dunkelraum unter dem Motto An inside look for outsiders der Öffentlichkeit preisgeben. Am letzten Sonntag des Monats, dem eigentlichen zweijährigen Jubiläumstag, wird nicht nur eine Zeitmaschine bereitgestellt werden, um einen Blick auf Dunkelraum.de im Jahr 2001 zu werfen, lange bevor es ein Philosophieblog wurde, sondern auch eine große Umfrage unter den Lesern begonnen werden, die über die Zukunft von Dunkelraum entscheiden wird.

Das ethische Dilemma der Sterbehilfe

Eines der zentralen Themen der ethischen Debatten der letzten Jahre war das Problem der Sterbehilfe. Die Debatte fand und findet nicht nur in der Philosophie statt, sondern findet ebenfalls Beachtung im politischen und gesellschaftlichem Raum.
Das ethische Problem der Sterbehilfe ist dabei keines, was man zuvorderst einer bestimmten Ethik anrechnen sollte, sondern es entsteht gerade dort, wo unterschiedliche ethische Strömungen aufeinander treffen. Das ethische Problem ist demnach kein Problem einer einzelnen Ethik, sondern der Vielzahl der Ethiken geschuldet.
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Die Idee der Vollautomatisierung in der Antike

Schon seit geraumer Zeit wird unsere industrielle Entwicklung oftmals mit der Tendenz zur Vollautomatisierung beschrieben. Tatsächlich werden immer mehr Produkte von immer weniger menschlichen Händen hergestellt. Einzelne Arbeitsschritte bishin zu einem vollständigen Produktionszyklus werden an Maschinen ausgelagert, die den eigentlich herstellenden Menschen überflüssig machen. Die einzigen, die übrig bleiben, sind jene, die die Maschinen entwickeln und instand halten. Diese Berufe tauchen keineswegs unvermittelt in der Moderne auf, seit der Mensch Maschinen benutzt, wie beispielsweise einen Webstuhl, gibt es sie. Die Aufgaben wurden also keineswegs in der Moderne vom Herstellen zum Entwicklen und Erhalten umgeschichtet, sondern die Herstellenden verschwanden einfach aus dem Produktionszyklus, da sie überflüssig geworden waren.
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Bruder Gallio, alle wollen glücklich leben, aber sie sind verblendet zu erkennen, was es ist, was das glückliche Leben macht; und zumal es nicht leicht ist das gute Leben zu erlangen, deswegen tritt jeder weiter von diesem zurück, desto eiliger er zu jenem hineilt, wenn er vom Weg abgefallen ist.

Seneca: De vita beata (dt. Über das glückliche Leben). I, 1. Übersetzung von mir. lat.: Viuere, Gallio frater, omnes beate uolunt, sed ad peruidendum quid sit quod beatam uitam efficiat caligant; adeoque non est facile consequi beatam uitam ut eo quisque ab ea longius recedat quo ad illam concitatius fertur, si uia lapsus est.

Um es gleich vorwegzuschicken, die Überschrift ist ein Epigramm aus der Feder Erich Kästners mit dem Titel Moral. (1) Die Aussage lässt aufhorchen und wenngleich eine Unzahl an Einwänden gegen die Aussparung des Denkens in seinem Epigramm möglich sind, so bleibt doch der Kern seiner Aussage davon unberührt.
Wohl so ziemlich jeder wird einräumen, dass ihm arme und hilfsbedürftige Menschen in nahen und fernen Ländern Leid tuen, dass er wünschen würde, die Welt wäre ein besserer Ort, als sie ist. Es lohnt sich, die Frage danach zu stellen, wie aufrichtig derartige Äußerungen sind.
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Der Selbstmord bei Aristoteles

Aristoteles sieht den Selbstmord durch das Gesetz der Polis (dt. Stadtstaat) verboten. Tatsächlich gab es zu der Zeit Aristoteles kein Gesetz, dass den Selbstmord unter Strafe stellte, jedoch leitet er das Verbot daraus ab, dass das, was die Gesetze nicht gebieten, automatisch verboten ist.
Aristoteles sieht jedoch, trotz des impliziten gesetzlichen Verbots des Selbstmordes, die konkurrierenden Interessen zwischen dem Selbstmörder und der Polis. Ein Selbstmörder, so Aristoteles, tut sich kein Unrecht an, denn er lässt sich den Selbstmord freiwillig angedeihen. Niemand würde sich jedoch freiwillig selbst ein Unrecht antun. Der Selbstmörder handelt also aus seiner eigenen Perspektive mit Recht, da der Selbstmord in seinem eigenen Interesse liegt. Aus der Perspektive der Polis, die unter anderem an ihrem Fortbestand interessiert ist, muss der Selbstmord als Unrecht erscheinen, da er den Interessen der Polis hinderlich ist. Aristoteles nennt auch die Strafe für den Selbstmord: Ehrverlust. (1)
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