Gummigeschosse und Bildungsentzug gegen gewaltbereite Demonstranten?

Im Nachgang der Großdemonstration in Hamburg hat der CDU Abgeordnete Karl-Heinz Warnholz laut der Hamburger Morgenpost (1) verschiedene Forderungen aufgestellt, um gewaltbereiten Demonstranten zu begegnen, so unter anderem die Einführung von Gummigeschossen und als alterantive Strafen der Entzug der Fahrerlaubnis oder ein erschwerter Zugang zum Abitur oder Hochschulabschluss. Im Folgenden sollen diese Forderungen näher betrachtet werden.

Einführung von Gummigeschossen gegen gewaltbereite Demonstranten

Gewaltbereite Demonstranten durch Gummigeschosse handlungs- oder sogar kampfunfähig zu machen klingt nach einem alternativen Mittel zu Wasserwerfer und Pfefferspray, tatsächlich handelt es sich um eine weitaus massivere Waffe. Gummigeschosse können Menschen töten. Ein Treffer der Luftröhre kann diese zerquetschen oder unter Umständen auch die Wirbelsäule brechen. Ein Aufprall des Geschosses im Auge kann dieses schwer verletzten oder auch zum Verlust des Augenlichts führen. (2)
Vermutlich waren es diese Punkte, die 2012 dazu führten, dass Frank Richter, Vorsitzender der GdP-Nordrhein-Westfalen (Gewerkschaft der Polizei), erklärte: „Wer Gummigeschosse einsetzen will, nimmt bewusst in Kauf, dass es zu Toten und Schwerverletzten kommt. Das ist in einer Demokratie nicht hinnehmbar.“ (3) Versuche, die Gefährlichkeit von Gummigeschossen einzuschränken, indem man auf Bein und Hüfthöhe schoss, führten in Nordirland zu 50 toten Minderjährigen, deren Köpfe sich eben auf jener Höhe befanden. (4)
Aus dem Gesagten folgt, dass Gummigeschosse kein geeignetes Mittel zur Kontrolle von Demonstrationen sind, sondern dem gleichen Einsatzvorbehalt unterliegen sollten, wie die herkömmlichen Schusswaffen der Polizei, da ihr Einsatz massive Folgen für Leib und Leben haben kann. Ihr Einsatz im Rahmen von eskalierenden Demonstrationen wäre damit i.d.R. eo ipso unverhältnismäßig.

Erschwerter Zugang zum Abitur oder Hochschulabschluss als Strafe für gewaltbereite Demonstranten

Eine Strafe, die die Bildungschancen des Täters begrenzt, würde zwei Zwecke erfüllen. Einerseits wirkt sie als Denkzettel auf den Täter und gleichzeitig abschreckend auf die Gesellschaft.
Diese Strafe wirkt allerdings marginalisierend auf den Täter, da es ihn durch die Beschneidung von Bildungschancen aus der Gesellschaft drängt. Als Konsequenz kann diese Strafe auch nicht verbüßt werden, sondern wirkt, im Unterschied zu herkömmlichen Strafen, durch das gesamte Leben des Täters hindurch und kennt keinen Abschluss. Durch die Marginalisierung und der nicht endenden Folgen für das Leben durch verpasste Bildungschancen ist nur schwer einsehbar, wie eine solche Strafe der Resozialisierung des Täters dienen soll und ihn wieder zu einem Mitgleid der Gesellschaft machen. Sie vertieft vielmehr den Spalt zwischen Täter und Gesellschaft.
Die Härte der o.g. Strafe ist aus offensichtlichen Gründen nicht nur unverhältnismäßig, sondern auch nicht zielführend.

Fazit

Gewaltbereite Demonstrationen sind ein gesamtgesellschaftliches Problem und sie benötigen eine Antwort auf verschiedenen Ebenen. Die vom CDU-Abgeordneten Karl-Heinz Warnholz ins Gespräch gebrachten Vorschläge scheinen nach den obigen Überlegungen allerdings ungeeignet.
Neben den konkreten Problemen ergeben sich auch bei den o.g. Verfahren weitere Probleme für eine demokratische und zivilgesellschaftlich engagierte Kultur. Wer würde nicht überlegen, ob er sich an einer Demonstration beteiligt, wenn er Sorge haben muss, dass die Demonstration mit Gummigeschossen beschossen werden könnte, wenn sie aus dem Ruder läuft? Eine hieraus folgende Zurückhaltung der Bürger bei ihrer öffentlichen Meinungsäußerung aus Angst und Sorge um ihre körperliche Unversehrtheit mag Demonstrationen verkleinern und politische Prozesse ruhiger verlaufen lassen – der Demokratie schaden sie jedoch nachhaltig.

(1) Heinemann, Christoph et al.: Die Schlacht um die Schanze. 22.12.2013 Link (Stand: 25.12.2013)
(2) Gummigeschoss. Wikipedia Link (Stand: 25.12.2013)
(3) GdP NRW: Einsatz von Gummigeschossen ist unverantwortlich 5.6.2012 Link (Stand: 25.12.2013)
(4) Arndt, Olaf: Gummikugeln gegen Demonstranten? Link (Stand: 25.12.2013)