Bertrand Russel schreibt in seinem Essay „Die tieferen Beweggründe der Philosophie“, dass einer der notwendigen Charakterzüge für eine philosophische Veranlagung ist, dass man den Wunsch hegt, „an irgendeine allgemeine Theorie des Universums oder des menschlichen Lebens zu glauben.“ (1).
Bei derartigen allgemeinen Behauptungen regt sich selbstverständlich immer die Frage, inwieweit sie Gültigkeit besitzen können. Selbstverständlich kann Philosophie als eine Wissenschaft begriffen werden, die genau nach dieser allgemeinen Theorie sucht. Aber wäre es so unvorstellbar, dass ein Student genau aus dem entgegengesetzten Grund das Studium der Philosophie aufnimmt, nämlich um zu beweisen, dass es keine allgemeine Theorie geben kann? Oder könnte man in diesem Fall spitzfindig behaupten, die allgemeine Theorie wäre, dass es keine allgemeine Theorie gäbe?
Wie dem auch sei, man sollte wohl nicht vergessen, dass Russel hier nur ein Essay niederschrieb, das sicherlich einen ganz anderen Wahrheitsanspruch, als eine wissenschaftliche Abhandlung inne hat. Dennoch, der Versuch der Motivation der Menschen zur Philosophie nachzuspüren und diese auszuforschen ist überaus interessant.
Natürlich kann man geneigt sein anzunehmen, dass einige Wissen um des Wissens willen suchen, und sich darin bereits ihr persönlicher Zweck der Philosophie ausfüllt, doch andere werden anderes suchen und ihre Motivation nicht im Wissen als Selbstzweck auffinden können.

(1) Russel, Bertrand: Die tieferen Beweggründe der Philosophie. In: Russel, Bertrand: Unpopuläre Betrachtungen. Zürich: Europa Verlag, 2005. S. 52