Das Ende wird kommen

Untergangspropheten gab es schon immer und immer gab es gute Gründe an das unabwendbare Ende der Welt zu glauben. Aus heutiger Sicht scheint es naiv, etwa eine Sonnenfinsternis, Seuchen oder Erdbeben als sicheres Indiz dafür zu werten, weil wir in einer aufgeklärten Welt leben, die derartige Phänomene erklären kann und ihnen damit den Schrecken genommen hat. Wir fürchten den Zorn der Götter nicht mehr, weil sie von Tektonik, moderner Medizin und Astronomie in den Raum des persönlichen Empfindens verdrängt wurden. Die Zeiten, in welchen ein rachsüchtiger Gott ein ganzes ägyptisches Heer im Meer ertränkt und sein auserwähltes Volk vierzig Jahre in der Wüste ausharren muss, weil sein Glaube nicht stark genug war, sind wohl endgültig vorbei.
Aber ist damit auch ein Ende der universellen Angst eingetreten?
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An inside look for outsiders (II)

Einer von Chrisens überaus einnehmenden Charakterzügen ist und war schon seit Beginn unserer Freundschaft, dass er immer wieder neue und ungewöhnliche Ideen und Projekte entwickelt, für die er Begeisterung zu wecken sucht. Im Fall von Dunkelraum hatte er damit bei mir leichtes Spiel.
Zu Anfang hatte ich keine genau Vorstellung davon, wie Dunkelraum aussehen würde, wusste nicht, wie es gelingen sollte, Aufmerksamkeit zu gewinnen oder ob das Ganze ein „Erfolg“ werden würde – nicht im Sinne von wirtschaftlichem Gewinn, denn der war nie Thema, sondern ob der Blog etwas werden würde, das jemandem etwas bedeutet, ob wir irgendwem etwas geben könnten woran wir auch selbst wachsen würden.
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Zwei Menschen lieben einander.
Welches Bild werden wir mit diesem Umstand assoziieren?
Eine Frau und ein Mann, zwei Frauen, zwei Männer – gleichviel. Sie heiraten oder heiraten nicht, sie gründen einen gemeinsamen Haushalt oder verbleiben in zweien. Sie bekommen (durch Schwangerschaft oder Adoption) ein Kind, zwei, drei oder keins. Sie bilden auf die eine oder andere Weise eine Lebensbewältigungsgemeinschaft und leben glücklich in eine Zukunft hinein, die für unsere Zwecke belanglos ist.
Jeder wird entsprechend seiner Neigung eine Vorstellung nach dem obigen Muster haben und die Meisten leben in der Hoffnung auf die Möglichkeit, diese Vorstellung Wirklichkeit werden zu lassen, nach Möglichkeit für immer.

Warum?
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Rituale

In seinem Roman Rituale schildert Cees Nooteboom die Welt und Sichtweise von Inni Wintrop. Dieser Mann treibt nach einem glücklosen Selbstmordversuch mit einer distanzierten Neugier durch das Amsterdam der sechziger und siebziger Jahre und beobachtet die Rituale der Menschen.
Zuletzt langt er bei der Überzeugung an, „[d]as Universum [käme] recht gut ohne die Welt aus“(1), die Welt ohne Menschen wohl eher besser als schlechter, und die Menschheit problemlos ohne ihn selbst. Vor dem Hintergrund dieser Einstellung zur Welt empfindet er eine Art von Freude am offensichtlichen Niedergang um ihn herum, am politischen, ökonomischen und ökologischen Kollaps; er sieht die Welt in Flammen stehen und erfreut sich an der Schönheit des Funkenfluges in der Nacht kosmischer Bedeutungslosigkeit.
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Eine Rebellion gegen die Vernunft?

In seiner Erzählung „The Imp of the Perverse“ (etwa: Der Kobold des Abnormen) schildert Edgar Allan Poe einen Impuls, eine Neigung, das Falsche zu tun, weil es das Falsche ist. Dieser Drang, den Poe the perverse nennt, entbehrt nicht nur jeder sinnhaften Grundlage, er ist allen Selbsterhaltungstrieben und den Wunsch nach Glück und Wohlergehen diametral entgegengesetzt.
Poe nennt einige Beispiele, um das Auftreten dieses Impulses, etwa den unwiderstehlichen Drang eines Redners, seine Zuhörer durch sein Ausschweifen wissentlich zu langweilen oder eine dringende Aufgabe aufzuschieben, einen wichtigen Termin verstreichen zu lassen – und fasst es zusammen in dem unwiderstehlichen Wunsch, sich in einen Abgrund zu stürzen, an dessen Rand man steht.

Den meisten wird dieses Verhalten mehr oder minder vertraut vorkommen, aber wie erklärt man ein Phänomen, das keinerlei Sinn aufweist, das jeder Vernunft entbehrt und sich nicht als Aufbegehren gegen eine äußere Moral begreifen lässt, sondern sich direkt gegen den eigenen Selbsterhaltungstrieb richtet?
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Eine Evolution des Denkens?

Über den Sinn und Nutzen der Philosophie wurde hier schon auf verschiedene Weisen diskutiert: Mal ging es um den Gewinn des Einzelnen, mal um den Nutzen für die Gemeinschaft. In beiden Fällen gab und gibt es die unterschiedlichsten Auffassungen. Letztlich werden die meisten Teilnehmer an Dunkelraum es für förderlich und gut halten, einer Gesellschaft anzugehören, deren lange philosophische Tradition noch heute präsent ist.
Auch werden wohl viele, die freiwillig oder unfreiwillig ins Philosophieren geraten sind, daraus etwas ziehen, das sie fortfahren lässt, sich mit dergleichen zu beschäftigen. Aber kann man von einem Fortschritt, einem Vorankommen im Denken sprechen?
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Das Geschenk der Freiheit

Nicht nur die Philosophie, sondern auch die Religionen müssen sich mit dem Problem der menschlichen Freiheit auseinandersetzen. Den Grund hierfür mag man als empirische Notwendigkeit ansehen: Wenn der Mensch von einem guten Gott geschaffen wurde – warum ist er dann nicht nur zum Guten sondern auch zum Bösen fähig, wie es offenbar der Fall ist? Wie kommt es, dass die Geschöpfe Gottes sich gegen ihn wenden können?
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Mach was Du willst. Mach Deinen Willen.

Wer kennt dies nicht: Vor dem Fenster des Büros, des Seminarraums, des Klassenzimmers liegt ein herrlicher Tag ausgebreitet da, als warte er nur darauf, von uns genutzt zu werden. Wozu? Zu allem, wonach uns der Sinn steht. Man denkt etwa: Wenn ich hier endlich rauskomme, kann ich tun was ich will. Wenn man später hinaustritt, die äußeren Zwänge abgeschüttelt hat und sich frei fühlt, zu tun, was immer einem beliebt zu tun, wird man naheliegenderweise diese Freiheit kaum in Frage stellen, sondern den schönen Tag genießen. Kaum jemand wird zuerst auf die Idee kommen, sich Gedanken darüber zu machen, ob das Gefühl nicht vielleicht trügt, ob man denn tatsächlich frei sein, in seinem Tun. Keine äußere Macht hält mich davon ab, meiner Wege zu gehen, niemand fesselt mich mit Ketten oder Aufgaben – wieso also sollte ich nicht frei sein?

Vielleicht begegnet man anderntags den vielzitierten Ausspruch Schopenhauers, dass der Mensch zwar tun könne, was er wolle, nicht aber wollen kann was er will. Und dieser Satz macht stutzig. Wenn mein tun nicht durch die Wände von Verpflichtungen eingeschränkt wird, ist es frei. Wie aber kann mein Wollen eingeschränkt werden? Liegt der wahre Feind der Freiheit in uns selbst, im Verborgenen?
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Man muss nicht unbedingt die Ebene der Gegenstände, auf die man zeigen kann, verlassen, um festzustellen, dass unsere Sprache nur scheinbar dazu geeignet ist, sich dem Gegenüber verständlich zu machen. Was wir sagen und was wir tatsächlich meinen stimmt nie ganz überein, ganz zu schweigen von der Vorstellung, die sich das Gegenüber davon macht.

Wenn ich etwa den Begriff „Tisch“ verwende, wird jeder eine Vorstellung davon haben, was ich meine. Diese Vorstellungen werden sehr unterschiedlich und individuell sein, doch wird es einen gemeinsamen Nenner geben, der sie alle eint: Die Funktion und damit verbunden eine gewisse Typik der Erscheinung. Heißt das aber, dass der Begriff grundsätzlich für alle nachvollziehbar ist?
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