Warum ist die Philosophie so kompliziert? Sie sollte doch ganz einfach sein. – Die Philosophie löst Knoten in unserem Denken auf, die wir unsinnigerweise hineingemacht haben; dazu muß sie aber ebenso komplizierte Bewegungen machen, wie diese Knoten sind. Obwohl also das Resultat der Philosophie einfach ist, kann es nicht ihre Methode sein, dazu zu gelangen.
Die Komplexität der Philosophie ist nicht die ihrer Materie, sondern, die unseres verknoteten Verstandes.
Ludwig Wittgenstein

in: Wittgenstein: Philosophische Bemerkungen. Werkausgabe Band.2. Hsrg. von Rush Rhees. Frankfurt: Suhrkamp (1984): S.52 [Hervorhebung i. Orig.]

Konflikt der modernen Kultur

Georg Simmel (*1858 Berlin, †1918 Straßburg) vertritt in seinem Aufsatz „Der Konflikt der modernen Kultur“ die These, dass das geistige Leben aufgrund seines eigenen Wesens sich immer schon mit seinen eigenen Erzeugnissen im Widerspruch befindet.
Geistiges Leben als Lebensprozess, als unmittelbare, an sich formlose Energie, kann nur in Erscheinung treten, indem es sich in unterschiedlichen, wie Simmel es nennt, Formen ausdrückt. Diese Erzeugnisse haben jedoch die Eigenschaft, vom Zeitpunkt ihres Entstehens an eine gewisse Selbständigkeit von der seelischen Dynamik, die sie erschuf, zu besitzen.
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Wir wissen wo du wohnst!

Auf der aktuellen Titelseite der Wochenzeitung „Die Zeit“ warnt Susanne Gaschke vor dem „Google-Wahn“ (1). Die Möglichkeiten, die Google seinen Nutzern bietet, können jeden betreffen, eben auch Nichtnutzer. Beispielsweise wenn wir bei Google Street View zu sehen sind. Besonders aufmerken lässt aber das neueste Google-Produkt von dem Gaschke berichtet: Das internetfähige Handy Nexus One. Dieses Handy enthalte das Programm „Goggles“, das bereits heute in der Lage sei, Gesichter auf mit dem Handy geschossenen Fotos durch biometrische Bildersuche via Internet zu erkennen. Vorausgesetzt, es gibt von der betreffenden Person irgendwo im Internet bereits Fotos. Momentan ist diese Funktion im Google Handy noch deaktiviert bis datenschutzrechtliche Probleme ausgeräumt seien. Aber was dann?
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Was ist Wahrheit?

Was ist Wahrheit und wie lässt sie sich erkennen? Wie verschlingt sie sich in dem unlösbaren Gewirr von Theorie und Praxis, die beide dialektisch auf einander bezogene Gegensätze und einander konstituierende Voraussetzungen sind? Wenn Theorie Reflexion ist, so bleibt jede Praxis blind und hilflos ohne sie. Aber woher nimmt die Reflexion, nimmt das Denken überhaupt seine Begriffe, wenn nicht aus dem Leben? Das Denken beginnt nicht erst in der Berührung mit der Wissenschaft.
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Wir suchen überall das Unbedingte,
und finden immer nur Dinge.

Novalis: Blüthenstaub. In: Novalis. Das philosophisch-theoretische Werk. Hrsg. von Hans-Joachim Mähl. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1999. S. 227 (= Novalis. Werke, Tagebücher und Briefe Friedrich von Hardenbergs, Bd. 2).

Was normal ist, das sehen wir meist auch als das Natürliche an. Die Abweichung hiervon ist abnormal. Wir sehen das als natürlich an, was uns in der Mehrzahl der Fälle begegnet, von dem wir die Erfahrung gemacht haben, dass dies bei den meisten Menschen so ist. Wo es abweicht, wird auch schon einmal von unnatürlichen oder krankhaften Abweichungen gesprochen, die korrigiert werden sollten. So wird aus der Beobachtung, dass etwas meistens so und so ist, eine normative Vorstellung, dass etwas so und so zu sein hat, weil es in der Natur des Menschen liegt.
Besonders im Bereich des sozialen Verhaltens ist dieser Umkehrschluss nicht unproblematisch. Schön zu sehen am Beispiel des historischen Frauenbildes. Die Frau war dem Manne untergeordnet. Das war die beobachtete Situation durch Jahrhunderte hindurch. Diese Beobachtung wurde dann mit der strikten Regel verbunden, dass sie das natürlicherweise zu sein habe und eine Frau, die dies nicht akzeptieren wollte, wurde im Allgemeinen als Wahnsinnige betrachtet.
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Die Angst vor dem Fremden

Untersuchungen haben ergeben, dass ein Baby ab dem zweiten Monat auf Gesichter reagiert und zwar mit einem Lächeln. Jedoch spricht man hier noch nicht von einer sozialen Reaktion, da das Baby nicht unterscheiden kann, zwischen einem echten Gesicht und einer Attrappe, auf der Stirn, Auge und Nase dargestellt sind.
Erst zwischen dem sechsten und achten Monat wird das Kind fähig Gesichter wirklich zu erkennen. Interessanterweise merkt man dies daran, dass da Kind nur bei bekannten Gesichter lächelt. Auf fremde Gesichter reagiert es jetzt mit Angst und einer deutlichen Kontaktverweigerung. Diese Angst tritt anscheinend kulturunabhängig auf und steht auch in keinem Zusammenhang mit schlechten Erfahrungen mit Fremden. Für Entwicklungspsychologen sind hier die wichtigen Aspekte, dass das Kind Gesichter vergleichen und einordnen kann und dass es eine deutlich sichtbare Bindung zur Bezugsperson aufbaut.
Aber was bedeutet es, dass ein Baby in dem Moment, in dem es fremd und bekannt unterscheiden kann, auf das Fremde mit Angst reagiert?
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