Ein ungeliebter Philosoph – René Descartes und die Meditationen

René Descartes‘ »Meditationen über die Grundlagen der Philosophie« gehören zu den philosophischen Schriften, die den Meisten schon in der Einführungsveranstaltung des Philosophiestudiums für immer verleidet werden.
Natürlich, man sollte schon einmal davon gehört haben, schließlich ist es ein gleichermaßen klassischer und wichtiger Text, kann mit einigem Recht als eine der »Gründungsakten der Neuzeit« bezeichnet werden und hat zudem den Vorteil, dass er einer klaren Argumentationslinie folgt und nicht allzu umfangreich ist. Das Problem besteht allerdings darin, dass den Meditationen ein ganz anderes Verständnis von Philosophie zugrunde liegt, als wir es heute haben, und die immense Bedeutung, die der Text für die abendländische Ideengeschichte hat, nicht mit seiner ursprünglichen Intention übereinstimmt.
Eingequetscht zwischen Platons Höhlengleichnis und Auszüge aus Humes Untersuchung über den menschlichen Verstand fehlt im Proseminar aber oft die Zeit, tiefer in den Text einzutauchen und ihn im Kontext seiner Entstehung zu begreifen. So bleibt zumeist nicht viel mehr zurück als ein gewisser Widerwille (schließlich wird in den Meditationen Gott beweisen – gleich zweimal und doch nicht überzeugend) und eine vage Erinnerung, wie man sie vielleicht von einer Europe in 10 Days-Reise zurückbehält. Kein Wunder also, dass zum Stichwort Descartes Vielen nicht mehr als »cogito ergo sum« einfällt, was zudem auch noch irreführend, wenn nicht schlichtweg falsch ist.
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Die Sprache der Klugen

Gewalt, so ein bekanntes Sprichwort, ist die Sprache der Dummen.
Auch ohne langes Überlegen dürfte jeder in etwa wissen, was damit gemeint ist: Wer sich nicht oder nicht mehr auszudrücken weiß, wer keine andere Möglichkeit findet, seinem Ärger, seiner Frustration oder seiner Wut Ausdruck zu verleihen, mag zu diesem Mittel greifen, um zumindest für diesen Augenblick der Hilflosigkeit nicht auch noch wort- und tatenlos zu bleiben. Dumm nennen wir dieses Verhalten, weil es Ausdruck eines doppelten Unvermögens ist – des Unvermögens, sich dem Gegenüber verständlich zu machen und des Unvermögens, diese Frustration auszuhalten.
Wie aber sieht der Umkehrschluss aus – gibt es eine, womöglich besondere, Sprache der Klugen?
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Wie viel Ungleichheit ist noch gerecht?

Im Januar ging es in dem Dunkelraumartikel »Die Welt ist nicht gerecht…« um Gerechtigkeit, oder vielmehr unser Empfinden für und von Ungerechtigkeiten. Am vergangenen Sonntag gab es in der Schweiz einen Volksentscheid mit großem Medienecho, der eng mit dieser Frage verknüpft ist: Wie viel Ungleichheit finden wir noch gerecht – und mit welcher Begründung akzeptieren wir, dass Wenige viel und Viele wenig haben?
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Nietzsche über unbequeme Kritik

Verkehrte Welt. – Man kritisiert einen Denker schärfer, wenn er einen uns unangenehmen Satz hinstellt; und doch wäre es vernünftiger, dies zu tun, wenn sein Satz uns angenehm ist.

Nietzsche, Friedrich: Menschliches, Allzumenschliches. 9. Hauptstück, § 484. Zitiert nach: Schlechta, Karl (Hg.): Friedrich Nietzsche. Werke in drei Bänden. München/Wien: Carl Hanser Verlag, 1966. Bd II, S. 693

Seneca – Das Glück und die anderen

Seneca der Jüngere, ein römischer Gelehrter des ersten Jahrhunderts, schreibt an seinen Bruder über das glückliche Leben. Die Schrift handelt von den Wegen und Abwegen, die sich demjenigen darbieten, der glücklich werden will – und wer will das nicht?
Spätestens seit Aristoteles ist es eine verbreitete Auffassung, dass alles menschliche Bemühen letztlich auf die εὐδαιμονία, die eudaemonia oder Glückseligkeit gerichtet ist – wir mögen nach Reichtum oder Ruhm, Weisheit oder Freiheit von Zwängen streben, letztlich tun es wir, weil wir uns davon versprechen, dass es uns glücklich macht. Die Glückseligkeit selbst ist kein Zweck, um etwas anderes durch sie zu erreichen. Sie allein wird um ihrer selbst willen angestrebt. Wenn aber darin so große Einigkeit herrscht, warum gibt es dann so gewaltige Unterschiede und Widersprüche in der Frage, wie dieses Ziel, das doch alle Menschen eint, zu erreichen wäre?
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Mythos der Philosophie: Prometheus

»Die Sage«, so Kafka, »versucht das Unerklärliche zu erklären«.
Sagen oder Mythen sind also Geschichten, die eine Antwort auf diejenigen Fragen und Rätsel geben, die wir anders nicht lösen können. Eine recht zentrale Frage dieser Art ist die nach dem Ursprung und der Natur des Menschen: Woher kommen wir und wieso sind wir, wie wir sind?
Aufgeklärte, moderne Menschen, die wir sind, werden wir nun an Darwin und die Evolution denken, doch ist damit wirklich alles erklärt? Ist der Mensch nichts weiter als ein hochentwickelter Affe? Oder liegt das Wesen des Menschen, das, was ihn letztlich ausmacht, nicht irgendwo jenseits einer wissenschaftlichen Beschreibung seines Stammbaums?
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Zeitgeist und Krise – Karl Jaspers

Zu allen Zeiten gab es Untergangspropheten, die das unmittelbar bevorstehende Ende der Welt kommen sahen. Bisher irrten sie alle. Ebenso lange gab und gibt es Denker, Wissenschaftler und Philosophen, die ihre jeweiligen Kultur bescheinigten, sich in der Krise zu befinden, Weg und Ziel aus den Augen verloren zu haben oder schlicht im Sumpf von Machtinteressen, Korruption und Irrlehren zu versinken. Die Letztgenannten hatten in aller Regel recht – wenn es ihnen auch kaum je gedankt wurde und ihre mahnenden Worte zumeist folgenlos blieben.
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Alkibiades über Sokrates

oder von der Wirkung des philosophischen Eros

»[……] von [ihm] ward ich oftmals in eine solche Stimmung versetzt,
so dass mir das Leben unerträglich erschien, wenn ich so bliebe, wie ich bin.«

Platon: Symposion. 216A

Die Welt ist nicht gerecht… Sind wir es?

Der nicht selten kluge und hintersinnige Comic Calvin & Hobbes aus der Feder von Bill Watterson handelt von dem sehr aufgeweckten und phantasiebegabten kleinen Jungen Calvin und seinem besten Freund Hobbes: Für alle anderen ein Stofftiger, für Calvin aber ein sehr lebendig und treuer Gefährte.
Es gibt in diesem Comic eine Bilderfolge, in der sich Calvin darüber beschwert, dass etwas ungerecht sei. Sein Vater entgegnet, dass die Welt nun mal nicht gerecht sei und Calvin gibt zurück: »Ich weiß! Aber warum ist sie nie zu meinen Gunsten ungerecht?«
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Mythos der Philosophie: Eros

Aus heutigen Sicht erschließt sich der Zusammenhang zwischen der Philosophie und Eros, dem griechischen Gott der Liebe, nicht ohne Weiteres: Eros, von den Römern Amor oder Cupido genannt, lässt vielleicht an barocke Bilder von speckigen Engelchen mit Pfeil und Bogen denken. Auch sein Zuständigkeitsbereich wird wohl eher zwischen Liebe und Liebelei, in jedem Fall im Erotischen verortet – und nicht in der Philosophie.

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